Bilderkritik: Tipps für die Bildauswahl

Ein gezeichneter Monitor in Rot ist ein Symbolbild für das Internet. Hier wird oft mit Gendersternchen und Gender-Gap geschrieben.

Die Bebilderung von Artikeln ist eine herausfordernde Arbeit: Neugier auf den Inhalt wecken und seine Kernaussage treffen. Dabei auf die Leitlinien des Mediums achten und alle Ansprüche auf Geschlechtergerechtigkeit und Abbildung von Vielfalt erfüllen. Liegt ein passendes Foto vom Anlass vor? Gibt es für die Suche in der Bilddatenbank ein geeignetes Schlagwort? Das Ganze unter Zeitdruck, denn das Produkt soll zügig veröffentlicht werden. Kein Wunder, dass auch mal etwas schiefgeht.

Wir sammeln Bildbeispiele für eine unglückliche Bildauswahl. Einige Fundstücke zeigen wir hier, es werden mit der Zeit mehr werden. Kritisch könnten wir in einigen Fällen sagen: zu stereotyp, zu klischeehaft und sexistisch. Wir zeigen aber auch lobenswerte Bilder, flankiert von Tipps aus unserer Checklisten-Sammlung Bildercheck. Diese Zitate machen deutlich, wie eine geschlechtergerechte Bildauswahl gelingen kann.

Bilder im Kontext kritisch betrachtet

Thema: Frauen in Führungspositionen

Was wir nicht mehr sehen wollen: Pumps und Herrenhosenbeine.
Wir brauchen andere Bilder für dieses Thema!

Auf dem Originalfoto hatten die Frau und die Männer noch Köpfe. Fürs Symbolbild wurden sie weggeschnitten. Denn es geht nicht konkret um diese Personen.

Dennoch sind solche Symbolbilder ärgerlich. Die immergleiche Kombination aus nacktem Frauenbein und Männerhosen. Geht es auch anders?

Fünf Männerbeine in eleganten Hosenanzügen dazwischen sind die Beine einr Frau mit Rock und schwarzen Pumps zu sehen

Screenshot Der Spiegel, 17.10.2022
© Oliver Berg/dpa

Ist dieses Symbolbild besser? Hier trägt die Frau auch Hosen. Aber ihre Körperhaltung ist wackelig: Sie steht nur auf einem Bein, lehnt sich anscheinend an die Wand hinter ihr. Die Männer dagegen stehen mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Zum Thema Geschlechtergerechtigkeit in Top-Positionen braucht es bessere Bilder.

 

Zwischen zwei Beinen mit Anzughosen sind die Beine einer Frau mit einer weißen Hose und blauen flachen Damenschuhe zu sehen

Screenshot Süddeutsche Zeitung, 18.1.2023
© Maurizio Gambarini/dpa

Thema: Frauen in der Politik

Wer ist die Frau in Rot?

Pressekonferenz zu Beginn der Klausurtagung des Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg im März 2023. Kanzler Scholz in der Bildmitte ist scharf. Vorne links sitzt Annalena Baerbock, hinten rechts sitzt Claudia Roth. Dazwischen fünf Männer, gut identifizierbar, und eine weitere Frau im roten Jacket. Kanzleramtsminister Schmidt beugt sich so weit nach vorne, dass er sie verdeckt. Hätte es kein besseres Foto gegeben?

Wir können das Rätsel lösen: Die Frau in Rot ist Sarah Ryglewski, Staatsministerin für die Bund-Länder-Zusammenarbeit.

Acht Mitglieder des Bundeskabinetts sitzen nebeneinander vor Mikrofonen und Kaffeekannen. Sie sehen fröhlich aus.

Screenshot Frankfurter Rundschau, 6.3.2023
© Soeren Stache/dpa

Thema: Frauenhaus

Warum sind die beiden so traurig?

Die Meldung ist positiv: Es gibt mehr Geld für Frauenhäuser. Das Foto, ein Symbolbild für die Not von Frauen und Kindern aufgrund von Partnerschaftsgewalt, suggeriert jedoch das Gegenteil: Kummer und Leid. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hat bei seinen Pressemitteilungen eine Text-Bild-Schere gebaut.

Was besser passt

Neue Bildsprache für Frauenhäuser

Blonde Frau schlägt die Hände vors Gesicht, ein Mädchen lehnt sich mit trauriger Miene an ihre Schulter

Screenshot Website des Ministeriums mit Meldung vom 21.6.2023
© altanaka / Fotolia

Solche Bilder wollen wir öfter sehen:

Thema: Spitzenfrauen

Was wir sehen: Die Klinikchefin und sechs Kolleginnen in weißen Kitteln, die fröhlich miteinander sprechend schnellen Schrittes auf die Kamera zu laufen. Ein ungestelltes Bild, authentisch.

Screenshot Der Stern, 31.05.2023
© Julia Steinigeweg

Tipp aus unserem Bildercheck:

Achten Sie bei der Bildauswahl auch auf die Mimik und die Körpersprache. Während Männer häufig in Körperhaltungen gezeigt werden, die Raum beanspruchen, werden Frauen im Durchschnitt eher in Körperhaltungen abgebildet, die das Gegenteil signalisieren.

Empfehlungen Abt. Gleichstellung

Präsidialdepartement Kanton Basel-Stadt, Schweiz

Thema: Politik

Was wir sehen:
Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesfamilienministerin Lisa Paus sitzen nebeneinander am Kabinettstisch. Der Spiegel berichtet über ihre Auseinandersetzung zu „Einschnitte beim Elterngeld“. Lindner und Paus sprechen auf Augenhöhe miteinander. Das ist fair.

Lindner und Paus sitzen nebeneinander am Kabinettstissch. Sie sind in einem konzentrierten Gespräch miteinander.

Screenshot Der Spiegel, 4.7.2023
© Kay Nietfeld/dpa

Tipp aus unserem Bildercheck:

In welchem Verhältnis zueinander werden Frauen und Männer dargestellt? Auf gleicher Ebene?

Tipps für die Öffenlichkeitsarbeit

IG Metall

Thema: Krieg in der Ukraine

Was wir sehen:
Bild 1: Minensucherinnen. Ein ungewöhnliches Bild aus diesem Krieg, wo wir vor allem kämpfende Männer und weinende Frauen sehen.

Bild 2: Eine Frau in Kampfuniform aber ohne Helm, liegt schießbereit mit einem Gewehr auf dem Boden. Die Bildunterschrift informiert: Es ist eine Schulung für Kampfsanitäter. Hat die Frau den Helm ausgezogen, damit besser zu sehen ist, dass es eine Frau ist?

Drei Frauen mit blauen Schutzwesten und Minensuchgeräten in einem sommerlichen Wald

Screenshot Der Standard, 4.9.2023
© Reportage: Olha Ivashchenko

Frau in Kampfuniform liegt mit Gewehr in der Hand auf dem Boden. Hinter ihr sind zwei weitere Soldaten zu sehen.

Screenshot RND, 28.12.2022
©Vasilisa Stepanenko/AP/dpa

15 % beträgt der Frauenanteil bei den ukrainischen Streitkräften. 5000 Frauen sollen im vordersten Fronteinsatz sein. Sie sind nur äußerst selten auf Fotos oder in Fernsehberichten zu sehen.

Tipp aus unserem Bildercheck:

Verwenden Sie auch Bilder von Frauen und Männern in „geschlechtsuntypischen“ Rollen und Berufen.

Empfehlungen Abt. Gleichstellung

Präsidialdepartement Kanton Basel-Stadt, Schweiz

Thema: Familienhund

Was wir sehen: Ein schwules Paar, ein Hund und ein kleines Mädchen. Es könnte eine Regenbogenfamilie sein. Das Thema ist mit einer überraschenden Familienkonstellation bebildert. Alle vier wirken einander sehr zugewandt und sympathisch.

Screenshot Programmzeitschrift TIP Berlin, 18.11.2021
© Michaela Ravasio/Westend61

Tipp aus unserem Bildercheck:

Wird die gesellschaftliche Vielfalt repräsentiert? Allgemeine Themen wie Arbeitsplatz, Bildung, Familie oder Rente können auch mit Regenbogenfamilien, Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit Behinderung bebildert werden.

Projekt „Voll im Bild“

Sozialhelden e.V, Neue deutsche Medienmacher*innen, Lesben- und Schwulenverband Deutschland, LSVD

Thema: Studie zu sexueller Belästigung von Politikerinnen

Was wir sehen: Blick in den Plenarsaal des Bundestags, von der Reichstagskuppel nach unten fotografiert. Die Bildredaktion hat darauf verzichtet, das Thema mit dem inszenierten Bild eines sexuellen Übergriffs zu bebildern.

Andere Bildsprache: Ein Mann mit einem Baby im Tragetuch spült Geschirr in der Küche

Screenshot ZeitOnline, 4.11.2021
©Massimo Virgilio/unsplash.com

Tipp aus unserem Bildercheck:

Versuchen Sie, auch strukturelle und gesellschaftliche Dimensionen aufzuzeigen, indem sie auf Personalisierung, Dramatisierung, Individualisierung verzichten und stattdessen zum Beispiel Bilder von involvierten Institutionen zeigen.

Anregungen zur medialen Prävention von Gewalt an Frauen und ihren Kindern,

Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser

Thema: Gewalt gegen Frauen

Was wir sehen: Verletzungen am Auge einer Frau. Sie stammen vermutlich durch einen Faustschlag. Eigentlich gibt es den Wunsch, keine Fotos zu präsentieren, die retraumatisierende Situationen der Gewaltausübung zeigen. Bei diesem Artikel aber geht es um das Erkennen und Dokumentieren der Spuren von Gewalt.

Screenshot Artikel im Berliner Tagesspiegel. Foto mit Rötungen am Auge einer blonden Frau durch einen vermutlichen Faustschlag

Screenshot Tagesspiegel, 12.10.2023
© Getty Images/Tetra Images - Jamie Grill

Tipp aus unserem Bildercheck:

Es braucht bei Berichterstattung über geschlechtsspezifische Gewalt und ihre Folgen besondere Aufmerksamkeit, eine passende Bildsprache zu finden, die weder Gewalt zeigt noch Klischees.

Hinweise für die Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen und Kinder

bff: Frauen gegen Gewalt e.V.

Thema: Frauenhaus

Was wir sehen: Zwei Frauen in der Rückenansicht. Eine der beiden trägt ein Kopftuch, sie hat den Arm um die Schulter der anderen gelegt. Die Bildunterschrift klärt auf: Es sind die Leiterinnen eines Frauenhauses. Sie möchten ihre Anonymität wahren und sind deshalb von hinten fotografiert. Ebenfalls erwähnenswert: Dieses Foto dokumentiert eine vorgefundene Situation. Es ist kein Symbolbild aus einer x-beliebigen Bilddatenbank. Das Foto ist der Aufmacher zu einer Reportage über ein Frauenhaus. Die weiteren Bilder, auch zu finden auf Instagram, zeigen Aufenthaltsräume und Kinderspielzimmer.

Das Bild erzählt noch mehr: Die beiden Frauenhausleiterinnen arbeiten vertrauensvoll zusammen. Ihre Körperhaltung hat etwas Tröstendes. Sie signalisiert: Im Frauenhaus finden Betroffene den Schutz, den sie brauchen. Außerdem haben muslimische Frauen hier eine Ansprechpartnerin, denn die Kopftuchtragende ist Muslima.

Screenshot ZEIT Online: Rückenansicht zwei Frauen. Die linke hat rote Haare, zum Dutt hochgesteckt, die rechte trägt ein beigefarbenes Kopftuch, sie hat den Arm um die Schulte der anderen gelegt.

Screenshot ZEIT am Wochenende, Ausgabe 46/2023
© Marzena Skubatz für DIE ZEIT

Tipp aus unserem Bildercheck:

Versuchen Sie, auch strukturelle und gesellschaftliche Dimensionen aufzuzeigen, indem sie auf Personalisierung, Dramatisierung, Individualisierung verzichten und stattdessen zum Beispiel Bilder von involvierten Institutionen zeigen.

Anregungen zur medialen Prävention von Gewalt an Frauen und ihren Kindern

Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser

Thema: Digitalisierung in der Medizin

Was wir sehen: Ein vierköpfiges Team betrachtet gemeinsam MRT-Aufnahmen an einem großen Bildschirm. Zwei Frauen, zwei Männer, ethnisch gemischt, sie wirken gleichberechtigt.

Andere Bildsprache: Ein Mann mit einem Baby im Tragetuch spült Geschirr in der Küche

Screenshot Tagesspiegel, 9.11.2021
© Getty Images

Tipp aus unserem Bildercheck:

Wohin oder auf wen wird der Blick der betrachtenden Person gelenkt? Mit mehreren Blickachsen vermeiden Sie die Zentralsetzung einzelner Personen. Machen Sie bildlich unterschiedliche Identifikationsangebote. Achten Sie auf visuelle Darstellung der Vielfalt der Menschen.

Geschlechtergerechte Bildgestaltung

Leitfaden der Universität Kassel

Thema: Auszubildende gesucht / Freie Lehrstellen

Was wir sehen: Eine junge Frau steht in einer Werkstatt und misst etwas mit einer Wasserwaage. Sie trägt einen Overall mit Schmutzspuren ihrer Arbeit, auch ihre Unterarme sind schmutzig. Sie hat die langen Haare zum Dutt hochgesteckt. Das Foto ist als Symbolbild gekennzeichnet. Ist das Foto authentisch? Die großen, freischwingenden Ohrringe vertragen sich nicht mit Arbeitsschutzvorschriften. Vielleicht ein Hinweis, dass die Frau ein Model und keine Handwerkerin ist. Bleiben Sie bei der Bildauswahl kritisch!

Andere Bildsprache: Ein Mann mit einem Baby im Tragetuch spült Geschirr in der Küche

Screenshot Badische Zeitung, 30.7.2023
© areogondo, Adobe Stock

Tipp aus unserem Bildercheck:

Bilder ermöglichen es, typische Rollenklischees aufzubrechen. Wir wollen Frauen und Männer zeigen, und dies nicht nur in traditionellen Berufen und Tätigkeiten, sondern in den verschiedensten Bereichen und auf unterschiedlichen Hierarchieebenen.

Tipps für die Öffentlichkeitsarbeit

IG Metall

Gleichberechtigung und Freiheit von Diskriminierung stehen als fundamentale Prinzipien im Grundgesetz.

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