10 Regeln für den Genderstern
Braucht der Artikel einen Genderstern? Wie funktioniert die Silbentrennung? Wie viele Sternchen tun einem Text noch gut? Hier finden Sie die Antworten in aller Kürze: 10 praktische Regeln für den Gendernstern, damit Sie besser gendern können.
Sie hätten es gern ausführlicher? Schauen Sie in unser Textlabor.
1. Bekommt der Artikel einen Genderstern?
der*die Sportler*in
ein*e Lokführer*in
jede*r Reporter*in
Textlabor-Tipp
Artikel und Pronomen erhalten im Singular auch einen Genderstern:
der*die Reporter*in
Das lässt sich kaum sprechen. Im Plural geht es ohne Sternchen:
die Reporter*innen
die Sportler*innen
viele Lokführer*innen
alle Reporter*innen
Im Singular wird es kompliziert. Nutzen Sie den Genderstern am besten nur im Plural.
2. Holprige Satzkonstruktionen – was kann ich tun?
mit einem*r Therapeut*in sollten Sie …
Besser so: mit der Therapie sollten Sie …
vom*von der Auftraggeber*in …
Besser so: durch den Auftrag …
Name des*der Kund*in
Besser so: Ihr Name
Textlabor-Tipp
Bei zu vielen Sternchen ist der Text schwer zu lesen. Weniger ist mehr: Überlegen Sie, ob Sie Ihre Information und Inhalte anders formulieren können. Lösen Sie sich von der Person. Beschreiben Sie die Tätigkeit. Werden Sie kreativ!
Achten Sie auf den Lesefluss. Verwenden Sie Genderzeichen sparsam.
3. Wo kommt der Genderstern hin?
Lehrer*innen und User*innen
Ingenieure*innen oder Ingenieur*innen
Matrose*innen oder Matros*innen
Kollege*innen oder Kolleg*innen
Kunde*innen oder Kund*innen
Textlabor-Tipp
Der Genderstern steht zwischen Wortstamm und weiblicher Endung: -in im Singular oder -innen im Plural. Die männliche Endung, wie das -e bei Kollege, entfällt.
4. Wie ist die richtige Konstruktion beim Umlaut?
Ärzte*innen oder Ärzt*innen
Bauern*innen oder Bäuer*innen
Anwälte*innen oder Anwält*innen
Textlabor-Tipp
Ändert sich bei der weiblichen Form der Wortstamm mit einem Umlaut, kann strenggenommen kein Genderzeichen verwendet werden. Es wird trotzdem oft gemacht, denn das Wort ist immer noch verständlich.
5. Großschreibung am Satzanfang für beide Artikel?
Der*die Sachbearbeiter*in wird sich bei Ihnen melden
Textlabor-Tipp
Nur der erste Artikel ist der Satzanfang, nur er wird großgeschrieben.
6. Ist eine verkürzte Aufzählung mit Bindestrich möglich?
Schüler- und Lehrer*innen
Textlabor-Tipp
Das Sternchen steht für die Vielfalt in beiden Wörtern. Sie sind durch den Bindestrich miteinander verbunden.
Nur Menschen werden gegendert.
7. Wo sitzt der Genderstern bei der Silbentrennung?
Nicht so:
Nutzer*-
innen
… und auch nicht so:
Nutzer-
*innen
Textlabor-Tipp
Reißen Sie die Vielfalt nicht auseinander, die Sie durch den Genderstern zusammengefügt haben. Vermeiden Sie die Silbentrennung.
Bei einem Doppelwort trennen Sie zwischen den Wörtern, der Genderstern sitzt in der Personenbezeichnung.
So geht es gut:
Bibliotheks-
nutzer*innen
Textlabor-Tipp
Bei Wörtern wie Auftraggeber, Arbeitgeber, Akteur, Kooperationspartner u.ä. sollten Sie sich fragen: Sind Personen oder Institutionen gemeint? Nur wenn es um Menschen geht, ist es richtig, ein Gendersternchen zu setzen.
Tiere brauchen keinen Genderstern. Hier zählt das äußerlich erkennbare Geschlecht. Bei Tieren, die eine Mehrgeschlechtlichkeit haben, wie die Schnecke oder das Seepferdchen, ist ein Genderzeichen denkbar. Erforderlich ist es nicht.
Bei einer Figur aus Fantasy, Comic und Bilderbuch ist eine nicht-binäre, trans- oder intergeschlechtliche Identität möglich, insbesondere wenn sie menschliche Züge trägt. Es kommt auf ihre Beschreibung in Buch, Film oder Game an.
8. Wo bleibt das Geschlecht bei diesen Wörtern?
das Mitglied
die Person, die Waise
der Mensch, der Star, der Liebling
Textlabor-Tipp
Diese Wörter haben ein feststehendes grammatisches Geschlecht. Eine weitere Anpassung ist nicht erforderlich und damit auch kein Sternchen. Sie werden geschlechtsübergreifend verwendet.
Wenn das grammatische Geschlecht nicht mit dem natürlichen Geschlecht zusammenpasst, sind Formulierungen wie diese trotzdem richtig:
Sie ist der Star, der …
Er ist eine Person, die …
… und auch das geht so:
Das Mädchen hat ein Buch in der Hand. Sie liest sehr gern.
Er ist eine Vollwaise und hat seinen Vater nie kennengelernt.
9. Können zusammengesetzte Wörter gegendert werden?
Arztbrief
Bürgersteig
Expertenwissen
Ein schwieriges Problem! Besteht ein Wortteil aus einer männlichen Personen- oder Berufsbezeichnung, ist die Frage: Kann das Word geschlechtersensibel umformuliert werden? Einige setzen Gendersterne hin, andere wollen die gewohnte Sprache nicht verändern.
Textlabor-Tipp
Oft hilft ein gleichbedeutendes Wort als Ersatz. Suchen Sie nach einem Synonym:
Gehsteig statt Bürger*innensteig
Expertise statt Expert*innenwissen
Einige Worte lassen sich neutral umformulieren:
Ärztliches Begleitschreiben statt Arztbrief
Redepult statt Rednerpult
Wahlleute statt Wahlmänner
Manche Wörter bleiben, wie sie sind: Sie treffen genau den Inhalt, sind feststehende Begriffe oder im Amtsdeutsch festgelegt:
Ingenieurbranche und Kanzleramt
Je mehr es darum geht, Personen zu beschreiben, desto wichtiger ist es, sich um geschlechtergerechte Bezeichnungen zu bemühen:
Ärzteverband könnte zu „Verband der Ärztinnen und Ärzte“ werden. Aber: Ändern Sie feststehende Bezeichnungen nicht eigenmächtig. Die Namensänderung ist Sache des Verbands.
10. Gender-Doppelpunkt oder Genderstern?
Was ist besser?
Als Alternative zum auffälligen Genderstern bevorzugen viele den Gender-Doppelpunkt, auch Printmedien wie die Frankfurter Rundschau, der Tagesspiegel oder die Brigitte. Er fügt sich harmonischer ins Schriftbild ein und gilt als barrierearm, so die Argumente. Er wird an der gleichen Stelle wie der Genderstern platziert; alle Schreibtipps gelten genauso für ihn.
Der Mythos vom barrierearmen Gender-Doppelpunkt entstand zu Beginn der Genderdebatte. Blinde nutzen oft Screenreader, die ihnen digitale Texte vorlesen. Sonderzeichen wie den Genderstern sprechen die Screenreader als Wort aus: „Journalist – Stern – innen“. Enthält ein Text viele Gendersterne, kann das ganz schön nerven. Beim Genderdoppelpunkt dagegen spricht der Screenreader automatisch eine Pause wie bei jedem Doppelpunkt. Das Vorlesen des Gendersterns lässt sich zwar technisch deaktivieren. Dennoch hält sich hartnäckig die Ansicht, der Gender-Doppelpunkt sei besser.
Eine präzise Antwort lieferte 2021 die Studie von Dr. Stefanie Koehler, Hochschule Koblenz. Im Auftrag der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) führte sie eine technische Prüfung zur barrierefreien Ausgabe mit sogenannten Schnittstellenelementen – Screenreader und Braille-Zeile – durch. Technisch war der Stern etwas besser geeignet als der Doppelpunkt.
Dr. Stefanie Koehler war es wichtig, die Betroffenen einzubeziehen: Menschen mit Behinderung und trans- und intergeschlechtliche Personen. Sie befragte deren Dachverbände zu Gebrauchstauglichkeit, Barrierefreiheit und der sozialen und politischen Bedeutung von „genderachtsamer“ Sprache. Die große Mehrheit sprach sich für den Stern aus:
- Der Genderstern ist für sehbeeinträchtigte Menschen besser wahrnehmbar. Der Gender-Doppelpunkt verschwimmt im Text.
- Der Genderstern ist für Blinde besser hörbar und tastbar. Screenreader und Braillezeile geben dieses Zeichen eindeutiger aus als den Doppelpunkt. Die Lücke, die der Screenreader bei einem Gender-Doppelpunkt spricht, ist irritierend lang.
- Der Genderstern ist auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen besser verständlich. Die Leichte Sprache hat klare Regeln: Sie verwendet den Doppelpunkt nur vor Aufzählungen und näheren Erläuterungen. Den Genderstern gibt es in der Leichten Sprache nicht, aber seine Bedeutung lässt sich gut erklären.
- Nur der Genderstern mit seinen vielen Strahlen verdeutlicht die geschlechtliche Vielfalt.
2023 veröffentlichte Dr. Stefanie Koehler eine Einordnung ihrer Ergebnisse für Verwaltungsverfahren öffentlicher Stellen.
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) hat seinerseits eindeutig erklärt: Jedes Genderzeichen ist für Blinde und Sehbehinderte sehr anstrengend. Den Gender-Doppelpunkt hat er sogar auf eine Liste nichtempfohlener Genderzeichen gesetzt. Wenn Kurzformen erforderlich sind, dann empfiehlt der DBSV den Genderstern, genauso wie der Bundesverband Trans*: Nehmt den Genderstern, aber nutzt ihn bitte sparsam!
Gleichberechtigung und Freiheit von Diskriminierung stehen als fundamentale Prinzipien im Grundgesetz.