Textlabor #23

Soll man „man“ gendern?

Gezeichnete Glaskolben wie aus einem Chemielabor weisen auf das Serviceangebot des Textlabors hin: Hier bespricht das Team Genderleicht knifflige Textfragen.

Auf diese Frage stößt man früher oder später, wenn man sich gendersensibel ausdrücken möchte. Oder anders gesagt: Diese Frage taucht früher oder später auf, wenn es darum geht, gendersensibel zu formulieren. Nun ist sie auch im Textlabor angekommen:

Ich habe eine Frage an Sie, da ich immer wieder über dieses „man“ stoße und nicht weiß, wie dieses Wort korrekt gegendert werden kann. Manchmal wird es durch mensch oder frau ausgetauscht, man* habe ich auch schon gelesen. Was empfehlen Sie?

In der feministischen Sprachkritik ist das Wörtchen man ein echtes No-Go. Auch im Journalismus ist es nicht gern gesehen: Am ersten Tag des Volontariats bekommen junge Journalistinnen und Journalisten zu hören: „Wer ist man?“ und „Das kannst Du doch genauer sagen!“ Es gilt als unnötige Floskel, die es zu hinterfragen gilt. Kurz: Man zu schreiben ist schlechter Stil.

Schauen wir uns das feministische Unbehagen näher an: die Nähe von man zu Mann ist unübersehbar. Schon im Alt- und Mittelhochdeutschen gab es „man“. Es hat seine Wurzeln im Substantiv „Mann“. Im Laufe der Zeit hat es das zweite „n“ abgelegt und aus dem großen M wurde ein kleines. So ist nicht direkt zu erkennen: Der Mann ist das Maß aller Dinge. Luise F. Pusch, Mitgründerin der feministischen Linguistik, hat daraus das Wortspiel gemacht: MAN = Mann als Norm. Wo bleibt die Frau?

Der Duden schreibt in seinem Herkunftswörterbuch über das Wörtchen „man“: Es bedeutete zunächst ‚irgendein Mensch‘, dann ‚jeder beliebige Mensch‘.

Dass damit nur der Mann gemeint ist, belegt die Französische Revolution, denn sie verkündete: „Liberté, Egalité, Fraternité“: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Wie klar doch die Sprache ist: Schwestern waren von der Erklärung der Menschenrechte nicht umfasst. Olympe de Gouges stellte den Revolutionären ihre Erklärung „Die Rechte der Frau“ gegenüber, ohne Erfolg. Sie starb unter der Guillotine. Über Jahrhunderte galten Frauen weiterhin als nicht mündig und wurden von politischer Teilhabe ausgeschlossen. In Deutschland haben Frauen seit 100 Jahren das Wahlrecht, aber mit der aktiven Teilhabe hapert es aus unterschiedlichen Gründen auch heute noch. Auch die Initiative des Deutschen Frauenrats für Parität im deutschen Bundestag wird systematisch und von konservativen Männern verhindert.

Da überrascht es, dass die Linguistin Prof. Dr. Gabriele Diewald das Wörtchen man nicht so kritisch sieht. Die Autorin des Duden-Ratgebers „Richtig gendern“ hat die alltägliche Verwendung im Blick. Sie verneint eine zweigeschlechtliche Zuweisung des Wörtchens, es werde nicht als „männlich“ gelesen. Man sei ein neutrales Indefinitpronomen und könne daher auch so verwendet werden. Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache bestätigt dies und definiert das „generalisierende Personalpronomen“ man als generisch und damit geschlechtsneutral.

Bei aller Kritik am Wörtchen man merken wir: Beim spontanen Sprechen rutscht es immer gern heraus. Alle reden einfach so, es ist unser Sprachgebrauch. Und außerdem kann man sich hinter dem man gut verstecken. Und so verwenden wir dieses man, wenn wir verallgemeinern wollen. Oder wenn es um gesellschaftliche Regeln und Normen geht, im Sinne von: „So etwas tut man nicht“ oder „man nehme …“ Der Duden führt noch einige genauere Beispiele dafür auf, wann immer man vorkommt.

Beim Schreiben können wir besser auf unsere Wortwahl achten als beim schnellen Sprechen. In der journalistischen Ausbildung wird empfohlen, besser ich oder wir anstelle von man zu schreiben bzw. konkret zu benennen, wer mit man gemeint ist. So werden die Sätze nicht nur aktiver, sondern auch korrekt, was im Journalismus eh besser passt – und zur Botschaft von Genderleicht.

Wer jedoch man durch ich ersetze, mahnt Prof. Diewald, rücke sich in den Mittelpunkt. Dies sollte überlegt erfolgen, denn es ergebe sich dadurch ein völlig anderer Sinn, als beim ihrer Meinung nach unauffälligeren man. Vergleichen Sie selbst, jede kleine Verschiebung von Wörtern verstehen wir sofort anders:

  • „Kann ich ja mal versuchen.“
  • „Kann man ja mal versuchen.“
  • „Können wir / Kannst du ja mal versuchen.“
  • „Kann ja mal versucht werden (von X).“
  • usw.

Die Alternative zu man ist, im Text neutral zu bleiben, zum Beispiel so: „Wer mag, kann es ja mal versuchen“. Dies bringt jedoch die Gefahr mit sich, ins Passiv zu rutschen wie in: „Kann ja mal versucht werden“, was auch wieder kein guter Stil ist. Bleibt nur, kreativ zu formulieren. Es gibt immer eine Alternative!

Die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch, Mitgründerin der feministischen Linguistik, weist auf Folgendes hin: Das Wörtchen man ist maskulin und wird männlich gebeugt. Im rein weiblichen Zusammenhang führt das zu absurden Formulierungen:

  • „Wenn man seine Menstruation hat …“
  • „Wenn man sein Kind stillt …“

Setzen Sie mal frau statt man in den Satz ein: „Wenn frau ihre Menstruation hat …“. Klingt doch gleich anders. Naja, Sie können sich auch persönlicher ausdrücken: „Wenn ich meine Menstruation habe“ oder „Wenn Frauen ihre Menstruation haben“.

Damit sind wir bei der Ausgangsfrage: Kann frau das man ersetzen? Wir lesen frau gelegentlich in Texten, die nur Frauen betreffen, manchmal ernsthaft, manchmal scherzhaft. Manche würden es mit Sternchen besser finden: frau* oder, wie auch von Ihnen vorgeschlagen: man*.

Um die Binarität aufzuheben wäre mensch angebracht. Und da sind wir wieder bei der ursprünglichen Bedeutung von man, siehe oben. Mensch jedoch klingt anders, ehrlicher. Es hätte heute die Chance, wirklich alle zu meinen, unabhängig vom Geschlecht.

Doch weder frau noch mensch hat sich bisher als Alternative Raum verschafft. Wer es nicht kennt, stutzt außerdem beim Lesen oder wenn das Wörtchen an stelle eines man zu hören ist. Das mensch dürfte große Mühe haben, sich im Sprachwandel durchzusetzen.

Ob diese Ersatzwörter denn auch korrektes Gendern wären, wie Sie fragen, können wir bedauerlicherweise nicht sagen. Das hat ja bisher keine dafür berufene Stelle so bestimmt. Es ist also eher Ihre persönliche Entscheidung.

Unsere Entscheidung sieht so aus: Wir bei Genderleicht.de vermeiden konsequent man in den Texten unserer Website, einzig auf der Seite mit Leichter Sprache finden Sie Ausnahmen und natürlich in diesem Textlabor-Text. Wenn das Wörtchen jedoch während eines Interviews für unseren Blog gesagt wird, korrigieren wir es nicht, weil es beim Sprechen üblich ist. Wenn wir selbst übers Gendern sprechen, sei es bei einem Interview, in Workshops und Online-Schulungen oder bei unseren Gender-Coachings, versuchen wir man zu vermeiden. Das erfordert Übung und Konzentration. Aber wir sprechen lieber von ich oder wir oder von den Menschen, die wir meinen. Das passt einfach besser.

Wie man es also am besten macht, ist frau/frau*/man*/mensch selbst überlassen.
Team Genderleicht

Rat und Expertise

Mitten im Sprachwandel gab es viele Fragen zum geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen. Das Team Genderleicht hat während der ersten Projektphase 2020/21 viele Zuschriften beantwortet. Wir haben fachlichen Rat recherchiert und uns am allgemeinen Sprachgefühl bei unseren Anregungen und Empfehlungen orientiert. Wir finden: Zum Gendern ist alles gesagt. Eine Antwort auf Ihre kniffelige Frage finden Sie bestimmt im Textlabor.