Tabu-Bild Menstruation: Blutrot

von | 10. April 2024 | Bildimpulse

Die Hälfte der Menschheit hat sie und die andere Hälfte ist indirekt davon betroffen – es geht um die Menstruation und das Bild von ihr, das es zu ändern gilt.

„Klassischerweise sind da Frauen mit Wärmflasche drauf.“ Jana Wittenzellner lacht auf die Frage, wie das Thema Menstruation in Presse und Medien bildlich dargestellt wird. Drei Jahre lang hat sie sich ausgiebig mit der Monatsblutung beschäftigt. Wittenzellner ist Kuratorin und stellvertretende Direktorin des Museums für Europäische Kulturen in Berlin und gab den Anstoß für eine ganze Ausstellung rund um den weiblichen Zyklus. Seit Oktober 2023 können Interessierte sich umfassend informieren, in die Geschichte von Unterwäsche und Periodenprodukten eintauchen und eigene Erfahrungen austauschen.

„Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“ umfasst vier Themenbereiche, die sich mit dem historischen und kulturellen Kontexten, dem aktuellen Wissensstand sowie mit Diskursen rund um die Menstruation befassen. Fotos, Grafiken, Zeitungsartikel und Werbeplakate behandeln den Zyklus in all seinen bunten Facetten.

Mehr Lappen als Binden: Unter langen Röcken war einst viel Platz, um das Blut aufzufangen.
Ausstellungsansicht © Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug

Menstruation: Mehr als Wärmflaschen und Periodenprodukte

Neben der klassischen Wärmflasche sind es Fotos von Periodenprodukten, die die Kuratorin häufig sieht. „Das Problem ist, dass man in den Artikeln und Berichten oft nur ein Bild hat und damit dann auch nur eine Geschichte erzählt.“ Was sie sich wünscht, sind verschiedene und vielfältige Fotos von Frauen in allen möglichen Lebenssituationen: „Das kann natürlich mit Wärmflasche im Bett liegend sein, aber das kann auch ‚gerade das Tennismatch gewonnen‘ oder einfach eine Frau, die am Schreibtisch sitzt, sein.“ Denn Menstruation kann einen Einfluss auf den Alltag haben, muss sie aber nicht. Die Erfahrungen der Menstruierenden sind dabei so unterschiedlich wie sie selbst als individuelle Persönlichkeiten.

Schluss mit Menstruation als Tabuthema

Mira Lou und Janina Müller machen Schluss. Und zwar damit, Menstruation als Tabuthema zu behandeln. Die beiden Freundinnen lernten sich im Kommunikationsdesign-Studium kennen und arbeiteten später an einem gemeinsamen Projekt über die Periode zusammen. Dabei wurde ihnen die Bedeutung des Themas und der fehlenden Aufklärung bewusst. Nun möchten sie das bieten, was sie sich selbst als junge Mädchen, die gerade ihre Periode bekommen, gewünscht hätten.

„Wir machen Schluss“ heißt ihr Projekt, mit dem sie durch selbstanimierte Videos rund um den weiblichen Zyklus aufklären. Die beiden Designerinnen präsentieren dabei ihr eigenes Bild von der Menstruation: Es ist bunt, teilweise verspielt und vor allem voller wichtiger Informationen. Es zeigt verschiedene Blickwinkel von Abläufen im eigenen Körper bis hin zur Sprache rund um die Monatsblutung.

Mira Lou und Janina Müller nutzen dabei fröhliche Pastelltöne und Animationen, die zwar simpel gehalten sind, aber die wichtigsten Details enthalten. So sieht man beispielsweise einen Uterus aus wenigen Linien und Flächen in Flieder mit gelben Eierstöcken. Es macht Spaß, die Videos anzusehen, da sie die Realität auf eine ästhetisch ansprechende Art abbilden. „Wir möchten alle dazu ermutigen sich zu informieren, sich dem eigenen Körper anzunähern, sich verbunden zu fühlen, Empathie zu zeigen und uns gegenseitig zu empowern, um dem Stigma Menstruation die Stirn zu bieten.“

Blaues Blut in der Binde

Wie Jana Wittenzellner stoßen auch Janina Müller und Mira Lou bei ihren Recherchen immer wieder über stereotype Bebilderungen der Artikel über Menstruation. „Das fängt an bei total undeutlichen Bildern, bei denen man gar nicht weiß, was da vermittelt werden soll, bis hin zu sehr bildlichen Darstellungen, die einen eher abschrecken“, berichtet Janina Müller. Ob seichte Werbung mit blauer Flüssigkeit als Blutalternative (seit 2021 abgeschafft, siehe Berichte bei Pinkstinks und Business Punk) oder medizinisch-kalte Animationen – beide Extreme seien nicht optimal und zeigten verfälschte bzw. einseitige Darstellungen.

How we bleed – realistische Fotos der Menstruation

„Wie sieht die Menstruation wirklich aus?“ – diese Frage stellte sich Fotografin Franziska Lange während ihres Studiums. Denn obwohl es eine der natürlichsten Sachen der Welt ist und Frauen jeden Monat aufs Neue menstruieren, gab es selbst im Jahr 2022 noch erstaunlich wenig authentisches Bildmaterial in Medien, Presse und online – so die Beobachtungen der Fotografin, als sie sich näher mit der Thematik auseinandersetzte.

Die Bebilderung zeige viel aus dem leidenden Aspekt wie Frauen, die sich den Bauch halten, depressiv aus dem Fenster schauen oder „in eine Decke eingemummelt sind“. Als Kontrast dazu stehe verspielter Glitzer oder blaue Farbe in der Werbung. Realistische Fotos – Fehlanzeige. Franziska Langes Fazit: „Die Periode ist zwar total normal, aber eben nicht besonders ‚hübsch‘. Menstruationsbilder sind für die Welt anscheinend zu hardcore.“

Dieser „blinde Fleck im Internet“ brachte sie zum Thema ihrer Bachelorarbeit. Sie startete einen Instagram-Aufruf, um in der Community echte Menstruationsfotos zu sammeln. Damals hätte sie sich schon über 100 Fotos gefreut, den tatsächlichen Impact, den sie schließlich erzielte, ahnte sie nicht. Ihr Projekt HOW WE BLEED ging schnell viral und innerhalb von nur zwei Monaten bekam die damalige Studentin über 1.200 Fotos zugeschickt. Fotos, die authentisch die Realität abbilden: Fleckige Matratzen, Blut auf dem Boden oder in der Badewanne, benutzte Tampons, Binden und Kondome. „Wenn man heute ‚Menstruationsblut‘ googelt, sind die Fotos aus dem Projekt immer unter den ersten zehn Ergebnissen“, freut sich Franziska Lange über ihren Erfolg.

How we bleed

Collage mit vielen Bildern

Bildersammlung für das Instagram-Projekt „How we bleed“
Collage © Franziska Lange

Dabei begreift sich die Fotografin selbst als ein Puzzleteil in einer großen Bewegung. Sie spürt einen allgemeinen Umbruch in der Gesellschaft und einen Aktivismus, der sich auf Social Media oder auch in anderen Projekten zeigt. Sei es die mittlerweile rote statt blaue Farbe in der Werbung oder ungefilterte Fotos auf Instagram und Co., Franziska Lange sieht eine Veränderung in der Kommunikation: „Es wird alles ein bisschen realistischer, alles ein bisschen authentischer.“

Text-Bild-Schere: Natürlich, aber bitte ohne Blut

Trotz dieses gesellschaftlichen Wandels finden sich in Online-Magazinartikeln über das Thema Menstruation keine Fotos, wie Franziska Lange sie präsentiert. Journalistischen Publikationen fehlt es an authentischen Bildern. Zwar wird über Endometriose oder Periodenprodukte berichtet, aber die Bebilderung dieser Artikel ist nach wie vor eher romantisch als realistisch. Überschriften wie „Über die ‚normalste Sache der Welt‘“ (Deutschlandfunk) oder „Wir bluten – und das ist auch gut so!“ (WDR) zeigen, dass Menstruation etwas Natürliches ist und die Gesellschaft darüber sprechen kann und sollte.

Collage mit vielen Bildern

Nur ein Symbolbild: ein einziger Tropfen Blut,
Screenshot Deutschlandfunk Kultur, 15.8.2021
Bild ©imago, Agefotostock, Ylivdesign

Collage mit vielen Bildern

Fast ein echter Anblick trotz Glitter,
Screenshot WDR Impuls, 19.8.2022, Collage © WDR

Doch betrachtet man die Fotos zu den Artikeln, ist dieser Gedanke in der visuellen Kommunikation noch nicht ganz angekommen. Selbst Frauenzeitschriften wie BRIGITTE scheuen sich noch davor, echtes Blut zu zeigen. Stattdessen gibt es symbolische rote Pailletten auf Binden, eine rote Blume vor einer weißen Unterhose oder den Klassiker: eine Frau mit Wärmflasche und schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck.

Collage mit vielen Bildern

Sind rote Perlchen ästhetischer als echtes Blut?
Screenshot Deutsche Apotheker Zeitung online, 15.12.202
Foto © Oleksandr, Adobe Stock

Collage mit vielen Bildern

Roter Glitter, symbolisch für Menstruationsblut,
Screenshot Cosmopolitan, 16.1.2023
Foto © Georgii Boronin, istock

Bluten ohne Scham: Warum Bilder mit Tabus brechen sollten

Eine Ausstellung im Museum, informative Videos oder eine realistische Fotoaktion – all diese Ansätze mögen unterschiedlich sein, doch trotzdem haben die Frauen, die sie initiierten, ein Ziel: das Bild der Menstruation in unserer Gesellschaft zu verändern. Wir sollten über die monatliche Blutung sprechen, anstatt sie zu tabuisieren und uns zu schämen, wenn die Hose mal einen dunklen Fleck im Schritt zeigt. Selbstbewusst sollten wir andere Frauen nach einem Tampon fragen, anstatt ihn wie beim Drogendeal still und heimlich zu übergeben, damit bloß niemand etwas davon mitbekommt. Und wir sollten verschiedenste Bilder der Menstruation in den Aufklärungsunterricht bringen, damit schon junge Mädchen sehen: Das ist ganz normal.

How we bleed

Mehr als 1500 Bilder hat Franziska Lange für ihr Projekt auf Instagram bisher gesammelt, eingeschickt von etwa 500 Menstruierenden. Viele Fotos sind auch auf ihrer Website zu sehen. Frau TV, Vice und einige andere haben über das Menstruationsblut-Projekt berichtet.

Folgen Sie der Spur des Blutes …

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Portrait Sophia Schmoldt

© Warja Jones

Sophia Schmoldt

Gastautorin

Als Kind wollte sie Autorin werden, heute schreibt Sophia Schmoldt als Journalistin und Copywriterin für Magazine, Blogs und Social Media. Ihre Lieblingsthemen sind die Medienwelt, Nachhaltigkeit und Feminismus. Mit ihren Texten möchte sie anderen eine Stimme geben, über Ungerechtigkeit aufklären und inspirierende Geschichten erzählen.

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