„Ich gendere nie.“

von | 10. Oktober 2019 | Weggeräumt

Wenn es ums Gendern geht, scheinen sich die Jüngeren damit leicht zu tun, insbesondere an den Universitäten. Das Partizip „Studierende“ hat bereits das Wort „Studenten“ abgelöst. Viele junge Leute sprechen auch den Gender-Gap ohne ins Stocken zu geraten.

Aber ist das mit der geschlechtergerechten Sprache wirklich so easy? Und welche Rolle spielen dabei Medienberichte zum Gendern? Wir haben Studierende gefragt – Sieben Interviews in sechs Tagen.

Genderleicht.de im Gespräch mit Studierenden

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#4 Tobias, Student der Elektrotechnik

Eigentlich ist Tobias politisch eher links unterwegs und sehr aktiv, doch Gendern möchte er nicht. Der 26-Jährige studiert seit 2015 Elektrotechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in München. Das Gendern, sei es sprachlich oder politisch, ist in seinem Studiengang und späteren Beruf als Ingenieur noch lange nicht angekommen. Tobias heisst auch eigentlich anders, aber mit uns reden wollte er gern.

 

Wie stehst du zum Gendern?

Meinst du mit Gendern das „ -Innen“ dranzuhängen und das Sternchen? Wenn ich es lese, ist es für mich kein Problem. Wenn man es überredet, also sozusagen das Femininum spricht, irritiert mich das sehr. Dann habe ich keine Ahnung mehr, wer wirklich gemeint ist, denn die meisten Leute sprechen den Gap oder das Sternchen nicht mit.

 

Wie ist es in der Uni? Gibt es Vorgaben? Ist dir da schon mal was aufgefallen?

Nee, noch nie. Ich denke nicht, dass es Vorgaben gibt. Mir sind auch keine Leitfäden aufgefallen. Ich habe nur einen „Studierendenausweis“ (lacht). Ein Professor, der immer Skripte verschickt hat, recherchierte mal privat, woher das Wort Studierende kommt. Daraufhin hat er sich sehr dagegen gewehrt, uns so anzusprechen. Die Ansprache in den Mails war dann immer gleich „Sehr geehrte Damen und Herren“, nur manchmal in verschiedenen Sprachen. Er betonte sehr, dass er froh sei, dass wir ein Technikstudium machen und nichts mit Sprache zu tun haben.

 

Wann bist du das erste Mal mit gendersensibler Sprache in Berührung gekommen?

Das war wahrscheinlich vor ca. 8 Jahren. Da habe ich das bei der Grünen Jugend hier in München mal mitbekommen.

 

Sprichst oder schreibst du selbst gendersensibel?

Nee, ich gendere nie. Ich halte es für sehr umständlich und ich glaube, im normalen Sprachfluss ist es verwirrend. Doch im Englischen mache ich es schon. Da sehe ich mehr die Notwendigkeit, dass man es machen muss, als im Deutschen. Das ist jetzt nicht so nachvollziehbar oder? (lacht)

 

Ist dein Bewusstsein in den letzten Jahren durch die Genderdebatte in den Medien gestiegen?

Das Bewusstsein für die Debatte ist bei mir schon gestiegen, vor allem durch den persönlichen Kontakt außerhalb des Studiums.

 

Gibt es einen Moment oder eine Situation, die dich besonders überrascht hat?

Nicht direkt. Vielleicht bei Wikipedia. Ich habe mal zur Blaupause in der Fotografie recherchiert. Und da stand, dass eine Frau „durch diese frühe Anwendung als erste Fotografin“ gilt … Dadurch wusste ich nicht, ob sie generell die erste Fotografin war, oder die erste weibliche Fotografin, die sich damit befasst hat. Da war es sehr schwierig für mich, noch genaueres rauszufinden.

 

Würdest du sagen ein Sternchen macht es dann besser?

Ja, Gendersternchen würde es eindeutig machen, dass es die erste Person war, egal ob männlich oder weiblich.

Jeden Tag ein Gespräch mehr

#1 Jana, Studentin der Sozialen Arbeit (7.10.19): „Ich freue mich sehr, wenn Leute gendern.“

#2 Arne, Masterstudent der Physik (8.10.19): „Gendergerechte Wortwahl sollte geschickt und flüssig sein.“

#3 Carlotta und Linus, Studierende der Medizin (9.10.19): „Gendern ist ein wichtiger Schritt zur Geschlechtergerechtigkeit.“

 

Tipps fürs Gendern beim Schreiben und Sprechen

… finden Sie bei Tipps & Tools

Studierenden empfehlen wir Sprachleitfäden der TU Berlin, TU Dresden und der Uni Köln auf unserer Seite Wissen.

Leitfaden: Geschlechtergerechte Sprache an der Hochschule München

 

 

 

Portrait Anna E. Poth

© privat

Anna E. Poth

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Anna E. Poth diskutiert viel und gerne, um andere Leute zum Umdenken und Hinterfragen anzustoßen. Das gendergerechte Sprechen lässt sie auch als Theaterregisseurin noch sensibler auf ihr Gegenüber eingehen. Ihre journalistischen Projekte können zudem auf der Bühne wiedergefunden werden.

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