Uniklinikum Freiburg gendert!

von | 3. Februar 2021 | Erfahrungsberichte, Gendern im Journalismus

Neubau des Klinikums Freiburg mit Gartenanlage und einem aufgestellten Kreis als Kunstinstallation. Dahinein ist ein blauer Genderstern montiert.

Das drittgrößte Universitätsklinikum Deutschlands nutzt den Genderstern für wertschätzendes Miteinander
Foto: Britt Schilling, Uniklinikum Freiburg, Fotomontage: Anna E. Poth

In Freiburg wird am Universitätsklinikum seit einem Jahr offiziell gendersensibel kommuniziert. Auch hat das Klinikum festgelegt, den Genderstern zu nutzen – mit einer klaren Botschaft: „Durch einen sensiblen Sprachgebrauch tragen wir aktiv zu einem wertschätzenden Miteinander aller Beschäftigten bei. Geschlechtergerechte Sprache rückt die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten ins Bewusstsein.“

 

„Um alle Geschlechter sichtbar zu machen, nutzen Sie bitte das Gendersternchen.“

Wir haben mit Heidrun Wulf-Frick gesprochen. Sie ist Redakteurin in der Unternehmenskommunikation und setzt die neue Schreibweise um. Schon vor dem Beschluss wurde im Klinikum zum Beispiel in Pressemitteilungen sowie den internen und externen Publikationen bereits mit der Beidnennung gearbeitet und auf kreative Weise die Beschäftigten, Besucher*innen und Patient*innen gendergerecht angesprochen.

 

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu dem mutigen Schritt! Ist dieser Beschluss nur für die Unternehmenskommunikation gültig, oder kommuniziert jetzt das komplette Klinikum gendersensibel?

Das ganze Klinikum soll gendersensibel kommunizieren. Der Vorstand des Klinikums hat im Dezember 2019 beschlossen, dass alle neu zu erstellenden Publikationen, Präsentationen und sonstigen Veröffentlichungen mit dem Genderstern geschlechtergerecht geschrieben werden müssen. Seitdem ist Gendern verbindlich. Und das gilt für alle. Wir als Unternehmenskommunikation haben das neue Corporate Wording umgesetzt und für alle Mitarbeiter*innen Handreichungen im Intranet veröffentlicht.

 

Gab es treibende Kräfte wie zum Beispiel Gleichstellungsbeauftragte, die das Gendern angestoßen haben?

Ja, schon mehrere Jahre lang hat sich unsere Beauftragte für Chancengleichheit dafür eingesetzt. Als vor zwei Jahren ein neuer Vorstandsvorsitzender ans Klinikum kam, haben sich mein Chef, der Leiter der Unternehmenskommunikation, und sie sich erneut für eine gendersensible Schreibweise stark gemacht und waren erfolgreich. Diese klare Regelung, jetzt zum Beispiel mit Genderstern zu schreiben, macht für uns auch vieles einfacher. Vorher bekamen wir zunehmend Anfragen von ebenfalls sprachbewussten Kolleg*innen, wie denn geschrieben werden soll: mit Binnen-I oder Schrägstrich oder Sternchen? Jetzt ist es einheitlich und wir entwickeln es alle gemeinsam weiter.

 

Sprechen Sie denn in Ihrer Abteilung auch gendersensibel?

Ja, ich denke schon. Ich auf jeden Fall. Mich als Frau wahrzunehmen und das auch über die Sprache auszudrücken, lernte ich vor 35 Jahren von meiner Ausbildungsredakteurin im Volontariat. Meine Töchter habe ich nach dem Motto erzogen: „Sprache bildet Bewusstsein.“ Ich spreche also schon lange und ganz selbstverständlich immer die weibliche Form mit. Seit neuestem gewöhne ich mir tatsächlich an, den Glottisschlag mitzusprechen. Im Büro vergessen wir manchmal im Trubel unser eigenes Wording und sprechen nur von Patienten. Aber so lernen wir ja alle und es funktioniert immer besser.

 

Haben Sie ein Lieblingsbeispiel?

Vieles lässt sich spielerisch geschlechtergerecht ausdrücken. Mit ein bisschen Fantasie und Übung lassen sich Formulierungen wie „der eine und die andere“ wunderbar sprechen und schreiben. Und schon ist mehr Vielfalt im Ausdruck. Ich bin ein großer Fan davon, dass in der Sprache nichts durchgedrückt wird, sondern sie sich fantasievoll weiterentwickelt. Das wird jetzt auch nochmal neu entdeckt – so ideenreich zu schreiben, dass auch ohne den Genderstern alle Geschlechter angesprochen werden.

 

Hat der Beschluss auch zu einem Umdenken und einer Sensibilisierung über die Unternehmenskommunikation hinaus gewirkt?

In unserem Intranet kommunizieren wir seit mehr als einem Jahr überall gendersensibel. Bis jetzt haben wir noch keinen Widerstand erfahren. Uns erreichen vielmehr immer wieder interessierte Anfragen von Kolleg*innen, die sich mit uns beraten möchten, wie sie korrekt formulieren können. Kürzlich habe ich für eine Abteilung einen langen Bericht anhand unseres Wordings bearbeitet. Die Kollegin hatte schon super vorgearbeitet und ich musste nur noch ergänzen. Das ist wirklich neu. Auch unsere Pressemitteilungen sowie unsere eigenen internen und externen Publikationen werden inzwischen komplett mit dem Gendersternchen geschrieben. Die Zeitungen oder andere Medien übernehmen diese Formulierungen zwar nicht unbedingt, aber wir setzen damit ein Zeichen.

 

Was sind Ihre Herausforderungen in der gendersensiblen Sprache?

Wir in der Unternehmenskommunikation kommen in der Regel damit sehr gut klar. Wir haben darin Übung, Schreiben ist unser Job. Doch natürlich stoßen auch wir an Grenzen. Es ist zum Beispiel schwierig, Abteilungen gendergerecht umzubenennen, die im Vorfeld schon einen langen Titel hatten. Da überwiegen dann die praktischen Gründe, es nicht zu tun. Auch sind feststehende Gesundheitsbegriffe für den Klinikalltag nicht einfach umzuschreiben. Oder noch ein Beispiel: Wir haben am Klinikum eine Beratungsstelle für hilfesuchende Ärzt*innen bei Suchterkrankungen. Da haben wir uns überzeugen lassen, dass der Titel „Arzt Sucht Hilfe“ nicht gendergerecht verändert wird, da das Wortspiel sonst nicht mehr funktionieren würde. Generell gehen wir bei solchen Fragen immer mit den Beteiligten in die Diskussion und finden zusammen eine passende Lösung.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Portrait Anna E. Poth

© privat

Anna E. Poth

REFERENTIN GENDERLEICHT.DE

Anna E. Poth diskutiert viel und gerne, um andere Leute zum Umdenken und Hinterfragen anzustoßen. Das gendergerechte Sprechen lässt sie auch als Theaterregisseurin noch sensibler auf ihr Gegenüber eingehen. Ihre journalistischen Projekte können zudem auf der Bühne wiedergefunden werden.

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