Schüler und Schülerinnen gendern

von | 29. November 2019 | Gendern im Journalismus, Praxistipps

„Fridays for Future“- Demo: Zehn Mädchen stehen mit Schildern da und recken die Fäuste

Weltweit in der ersten Reihe: Die Mädchen bei den „Friday for Future“-Demos
© Westend61, Jacob Lund photography

 

Immer wieder freitags gerät die Nachrichtenwelt in Schieflage: „Schüler demonstrieren für eine bessere Klimapolitik“ lautet die Überschrift bei Berichten zu Fridays-for-Future-Demonstrationen. Auf dem Foto dazu sind aber auffällig viele Schülerinnen zu sehen. Text-Bild-Schere heißt so etwas im Journalismus: Wenn Text und Bild inhaltlich Unterschiedliches aussagen, ist das ein handwerklicher Fehler.

 

„Schülerinnen und Schüler“ – ein unlösbares Problem?

 

Das Sprachgefühl ist bei vielen Leserinnen und Lesern mittlerweile so ausdifferenziert, dass bei der Verwendung eines männlichen Wortes die Frage aufkommt: Waren keine Mädchen und Frauen dabei? Kurz: Das generische Maskulinum „Schüler“ sorgt für Irritation. Denn es hat sich herumgesprochen – und ist auch auf Fotos und Fernsehaufnahmen unübersehbar – beim Schulstreik fürs Klima sind vor allem Mädchen aktiv, und das weltweit, mit der Folge, dass bei den Demonstrationen viele „Schülerinnen“ zu sehen sind.

 

 

Wir bei Genderleicht wurden von einer Redaktion des SWR via Twitter gefragt, ob wir etwas Besseres wüssten als die Beidnennung von Schülerinnen und Schülern. „Vielleicht Lernende?“ war ihr Vorschlag. Unsere Antwort darauf war und ist: „Leider nein“.

Bei Studenten und Studentinnen hat sich das Wort „Studierende“ als geschlechtsneutrale, sternchenfreie Alternative zu Student*innen etabliert. Hier und da äußert mal jemand den Einwand, Studierende würden nicht studieren, wenn sie gerade eine Pizza essen. Nun ja, ein Privatleben haben auch der Vereinsvorsitzende oder die Vorstandsvorsitzende. Sie dürfen trotzdem rund um die Uhr mithilfe einer Partizipial-Konstruktion benannt werden. Weniger bekannt, aber grammatikalisch richtig: Das Partizip Präsenz beschreibt nicht nur einen Zustand, sondern auch einen Status. Solange Studierende an einer Universität eingeschrieben sind, sind sie Studierende, auch in ihrer Freizeit.

 

„Lernende“ sind keine Alternative

Um „Schüler und Schülerinnen“ mit einem einzigen geschlechtsneutralen Wort benennen zu können, fehlt es an einem treffenden Verb, aus dem sich ein Partizip als Nomen ableiten ließe. „Lernende“ sind wir alle. Im besten Fall lernen wir täglich dazu und das bis ins hohe Alter. Der Begriff ist zu ungenau, um damit diejenigen zu bezeichnen, die in die Schule gehen. Ah, in-die-Schule-gehen wäre so ein Begriff, ist aber als Partizip untauglich. Einfach zu lang.

Halten wir fest – für Schüler und Schülerinnen gibt es bisher keine ähnlich gute Lösung wie das Wort „Studierende“. Trotzdem können wir geschlechtergerecht über Schulstreik oder Klimastreik berichten: Wer mag, setzt Sternchen. Doppelpunkt oder Unterstrich, schreibt also über Schüler*innen, Schüler:innen oder Schüler_innen. Damit sind dann, anders als bei der Beidnennung, auch genderqueere Jugendliche mitgemeint. Alternativ geht es mit geschlechtsneutralen Synonymen: Jugendliche, Kinder oder Schulkinder, Schulpflichtige, junge Leute, junge Menschen usw.

 

Beidnennung in den Medien: sagt wer es ist

Wer die Beidnennung „Schülerinnen und Schüler“ für journalistische Artikel benutzt, benennt fast korrekt die handelnden Personen. Die geschlechtlichte Vielfalt ist nicht angedeutet, aber gerade bei jungen Leuten oft richtig wichtig. Allerdings sind Genderzeichen wie Stern oder Doppelpunkt in Mainstream-Medien nur selten willkommen. Immerhin: Das paarweise Nennen geht beim Sprechen schnell, zum Beispiel in Moderationen oder beim Interviewen. Nur für Überschriften ist und bleibt die  doppelte Bezeichnung zu lang. Aber hey – sprachliche Fantasie gehört zur journalistischen Jobanforderung dazu. Tipp: Verzichten Sie auf Personen in der Überschrift. Sie finden bestimmt eine andere Formulierung, die auf Iihren Artikel neugierig macht.

Was wir vorschlagen

Schulstreik fürs Klima
Demo fürs Klima
Fürs Klima auf die Straße
Junge Leute besorgt ums Klima
Jugendliche kritisieren die Klimapolitik
Fridays-for-Future-Bewegung
Zum Schulstreik gehen heute Tausende auf die Straße

Was noch

Bei Twitter ist das Kürzel SuS für „Schülerinnen und Schüler“ in Gebrauch.

Im Textlabor #12 | Viele Männer, eine Frau | gibt es weitere Überlegungen zum Begriff „Schüler und Schülerinnen“.

Portrait Christine Olderdissen

© Katrin Dinkel

Christine Olderdissen

Genderleicht & Bildermächtig Projektleiterin

Als das erste Mal eine Interviewpartnerin mit dem Glottisschlag sprach, war das für sie ein Signal: Schluss mit dem generischen Maskulinum, lieber nach einer sprachlichen Alternative suchen. Eine einfache und elegante Lösung findet sich immer. Lange Zeit Fernsehjournalistin galt ihr Augenmerk schon immer der Berichterstattung ohne Stereotype und Klischees.

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