Fotografien prägen unseren Blick auf die Welt. Sie zeigen uns Orte, an denen wir nie gewesen sind und Ereignisse, die längst vergangen sind. Die Fotografinnen, die wir bei Bildermächtig vorstellen, richteten ihre Kamera auf Gesichter, Landschaften und Straßenszenen, sie dokumentieren Kriegsgräuel, Protestbewegungen und Fabrikarbeit – stets aus ihrer Perspektive als Frau.
Sieben Pressefotografinnen aus Westdeutschland
Ihre Fotos beeindrucken uns noch heute, von der Pionierin Elfriede Reichelt über die Chronistin Abisag Tüllmann bis hin zur Kriegsfotografin Anja Niedringhaus. Sie alle haben sich in der Vergangenheit in einer Männerdomäne durchgeboxt und so den Weg für Frauen im Bildjournalismus geebnet.
Nicht nur die Kriegsreporterinnen mussten erleben, dass sie am Anfang nicht ernst genommen wurden. So berichtete Anja Niedringhaus, dass sie bei ihrem ersten Einsatz in Sarajevo von ihren männlichen Kollegen belächelt wurde. Die meisten glaubten, dass die junge Frau auf Dauer den Kriegsschrecken nicht gewachsen sei. Auf der anderen Seite hatte sie als Frau in Ländern wie Afghanistan oder Libyen Zugang zu einer Welt, die ihren Kollegen verschlossen blieb. Ähnlich beschreibt es Bettina Flitner, die in Papua Neuguinea Frauen fotografiert hat, die der „Hexerei“ bezichtigt wurden: „Ich weiß nicht, ob es den weiblichen Blick gibt. Aber bei dieser Geschichte hatte ich gleich einen guten Zugang zu Margret und den anderen Frauen. Sie sind ja alle von Männern gefoltert worden und waren schwer traumatisiert. Da hätte es ein männlicher Kollege vermutlich schwerer gehabt.“
Ausstellungstipps
Noch bis 22. September 2024 läuft die Ausstellung „Stadt der Fotografinnen. Frankfurt 1844–2024“ im Historischen Museum Frankfurt am Main. Für einen kurzen Einblick: der Trailer auf YouTube. Ausführlich: der Katalog.
Zollverein Essen: Das Ruhrmuseum würdigt die Arbeit der Pressefotografin Marga Klingler (1931-2016) in einer Ausstellung bis zum 12. Januar 2025. Sie war 40 Jahre lang für die WAZ tätig und hat den Ruf als „legendäre Grand Dame des Lokaljournalismus im Ruhrgebiet“.
Das ging ihren Ostkolleginnen nicht anders, auch sie erlebten eine größere Offenheit und einen leichteren Zugang zu den Menschen, die sie fotografierten. Die meisten der hier vorgestellten Pressefotografinnen aus dem Westen waren, im Gegensatz zu ihren Kolleginnen aus der DDR, freiberuflich tätig und mussten sich auf einem männerdominierten Markt behaupten. So hatten sie mehr Freiheiten, sich ihre Themen zu suchen, aber auch eine geringere soziale Absicherung. Anfang des 20. Jahrhunderts ein eigenes Atelier zu eröffnen wie Elfriede Reichelt oder sich in der piefigen Nachkriegszeit mit Reportagen von Fließbandarbeiterinnen einen Namen zu machen wie Abisag Tüllmann – dazu gehörten eine Menge Mut, Talent und Durchsetzungsvermögen.
1. Zwischen Kunst und Handwerk: Elfriede Reichelt (1883 – 1953)
Eine nackte junge Frau auf einem Kanapee, die Hände locker im Schoß. Es ist ein Bild auf Augenhöhe, das keine voyeuristische, sondern eher eine dokumentarische Perspektive einnimmt – ein wohltuender Kontrast zu den zu der Zeit verbreiteten, für männliche Betrachter inszenierten Nackedei-Fotos. Auch aus heutiger Sicht wirkt es noch modern. Doch das Leben der Breslauer Fotografin Elfriede Reichelt verlief auch sonst alles andere als konventionell. Als eine der ersten Frauen studierte sie von 1906 bis 1908 an der Münchner „Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie“. Anschließend machte sie sich mit einem eigenen Atelier in Breslau selbständig. Dort porträtierte sie vor allem Kinder, namhafte Persönlichkeiten sowie Künstler und Künstlerinnen, darunter die Pianistin Elly Ney. Ihr Atelier florierte und ermöglichte ihr wirtschaftliche Unabhängigkeit. In diesen Auftragsarbeiten, bei denen sie auf die Wünsche ihrer überwiegend bürgerlichen Kundschaft eingehen musste, zeigte sie dennoch eine eigene künstlerische Handschrift und experimentierte viel mit verschiedenen Druck- beziehungsweise Abzugsverfahren. Motivisch ist ihr Werk äußerst vielseitig und umfasst auch Landschaftsfotografien, Stillleben, Akte und Pflanzenstudien.
Heute fast vergessen
Das Fotografierhandwerk, so schreibt die Geschichts- und Kunstwissenschaftlerin Verena Faber in ihrer Dissertation über Elfriede Reichelt, diente dieser frühen Generation weiblicher Berufsfotografinnen als „immanentes Instrument ihrer weiblichen Selbstbestimmung.“ Warum Elfriede Reichelt, die im Metier der Berufsfotografie zu den Besten ihrer Zeit gehörte, dann weitgehend in Vergessenheit geriet, bleibt genauso im Dunkeln wie ihr Rückzug ins Privatleben ab Mitte der 1930er Jahre. Die späte Ehe – erst mit 45 Jahren heirate sie und ließ sich einige Jahre später wieder scheiden – dürfte für eine solch unabhängige Frau keine Rolle gespielt haben, vermutet Verena Faber.
Das Münchner Stadtmuseum hat in seiner Online-Sammlung elf Fotos von Elfriede Reichelt.
2. Hinter die Fassade blicken: Gaby Sommer (1959 – 2018)
Als Fotografin mit dem Gespür für den richtigen Moment wird Gaby Sommer oft beschrieben. Händeschütteln und Lächeln fürs Protokoll interessierten sie nicht, ganz gleich, ob sie Helmut Kohl, Arafat oder den Schauspieler Alec Guinness vor der Linse hatte. Die weinende Prinzessin Diana beim offiziellen Termin in Hamburg 1987, Erich Honecker vor einem Elchgeweih oder die polnischen Bischöfe, die beim Helikopterabflug des Papstes mühsam ihre Gewänder unter Kontrolle hielten – ihre Aufnahmen von Staatsoberhäupern und berühmten Persönlichkeiten fangen oft einen beiläufigen Augenblick ein. Die Kamera gebe ihr die Möglichkeit, in die Welt vieler verschiedener Menschen einzutauchen, sagte sie dem Blogger Stefan Vieregg 2010 in einem Interview. Dabei wolle sie die Menschen nicht einfach „abschießen“, sondern sie in „ihrer Tiefe ausloten“. Ihr berühmtestes Foto, der Bruderkuss zwischen Honecker und Gorbatschow, ging um die Welt. Entstanden ist es 1986, beim elften Parteitag der SED in Ostberlin.
Codename Linse
Gaby Sommer wurde 1959 in Wiesbaden geboren und legte eine beeindruckende Karriere hin. Ihre ersten Fotos veröffentlichte sie nach dem Abitur in der Rheinzeitung. Bereits ein Jahr später, als 21-Jährige, arbeitete sie als sogenannte feste freie Fotografin für die renommierte US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press. 1985 wurde sie die erste akkreditierte Fotojournalistin der Nachrichtenagentur Reuters in der DDR – von der Stasi unter dem Codenamen Linse beobachtet.
Gaby Sommer fotografierte bei der Hochzeit von Prinz Charles und Lady Diana, begleitete Jean-Paul-Belmondo bei Dreharbeiten und dokumentierte Friedensdemonstrationen. Sie arbeitete als Bildjournalistin für große Magazine wie den Spiegel sowie mehrere Fotoagenturen, bevor sie sich auf Porträts von Spitzenkräften aus Wirtschaft und Industrie spezialisierte. Sie habe nicht nur Legenden wie Jean-Paul Belmondo und Jane Birkin fotografiert, sondern war selber ein Star, schrieb das Magazin Immobilienmanager, für das sie viele Jahre lang fotografierte hatte, anlässlich ihres frühen Krebstodes 2018.
Die Deutsche Fotothek präsentiert online 100 Fotos von Gaby Sommer.
3. Mitten im Zeitgeschehen:
Abisag Tüllmann (1935 – 1996)
1935 als Ursula Tüllmann in Hagen geboren zog sie 1957 nach Frankfurt, wo sie ein Volontariat bei einem Werbefotografen absolvierte und anschließend freiberuflich für mehrere Frankfurter Zeitungen arbeitete. Das Großstadtleben inspirierte sie und so begann sie Bahnhöfe, Straßenszenen und Obdachlose zu fotografieren, in Frankfurt ebenso wie in Paris, Tokio oder New York. Schon bald erhielt sie Aufträge für Magazine wie der Spiegel, Emma, die ZEIT und viele andere. Fotografisch war Abisag Tüllmann stets auf der Seite emanzipatorischer Bewegungen, sowohl in der Bundesrepublik als auch auf ihren Reisen, wo sie unter anderem Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika fotografisch begleitete.
Die Welt im Wandel
Eine besondere Rolle in Tüllmanns Werk spielt das Arbeitsleben. Es gebe kaum einen Arbeitsplatz, den sie nicht mit ihrer Kamera inspiziert hätte, schreibt die bpk-Bildagentur: Telegrafenamt, Kneipe, Fabrikhalle, Druckerei und Fleischgroßhandel. So entstanden eindrucksvolle Reportagen, insbesondere über die Lebenswirklichkeit von Frauen. Sie fotografierte Putzfrauen, Chefinnen, Fließbandarbeiterinnen und Nachtschwestern. Eine ganze Serie widmet sich „Gerda Siepenbrink bei der Hausarbeit“. Abisag Tüllmanns Fotografien zeigen die bürgerliche Enge der 1950er und 60er Jahre, aber auch den Aufbruch. Die streikenden Arbeiterinnen in den eles-Strumpfwerken jedenfalls wirken selbstbewusst und kampfbereit.
1996, mit 58 Jahren, stirbt Abisag Tüllmann an Krebs.
4. Das eine Bild, das berührt:
Ursula Meissner (* 1962)
„Eine gute Kriegsfotografin zeigt nicht nur Rauchwolken“, sagt Ursula Meissner. Den Trend zum schnellen Bild, je spektakulärer, desto besser, findet sie bedauerlich. Eines ihrer bekanntesten Fotos ist der Cellospieler in den Ruinen von Sarajevo. Es sind solche Fotos, die im Gedächtnis bleiben und die sie im aktuellen Ukraine-Krieg vermisst. Ursula Meissner war 35 Jahre lang in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt unterwegs. Neben Anja Niedringhaus ist sie eine der renommiertesten deutschen Kriegsfotografinnen. Was sie umtreibt, ist bei beiden ganz ähnlich: „Ich will zeigen, was der Krieg mit Menschen macht“, sagt Ursula Meissner. Doch anders als Anja Niedringhaus, die als „embedded journalist“ zusammen mit den Truppen unterwegs war, arbeitet Ursula Meissner als freie Fotojournalistin. Sie wolle auch dort fotografieren, wo die Soldaten nicht hinkommen, sagt sie.
Gibt es den weiblichen Blick?
Warum ausgerechnet Kriegsberichterstattung? „Ich finde es ungeheuer spannend, am Zeitgeschehen teilzunehmen“, erklärt sie. Wie Anja Niedringhaus stellt Ursula Meissner häufig Frauen und Kinder in den Mittelpunkt: Kindersoldaten im Kongo, Frauen im Flüchtlingslager in Äthiopien, Kinderarbeit in Kambodscha. Moderne Waffensysteme oder kämpfende Helden faszinieren sie weitaus weniger als manch männlichen Kollegen. Insofern gibt es nach ihrer Überzeugung durchaus einen weiblichen Blick.
Das Foto von Fatima in ihrer leuchtend blauen Burka vor den Ruinen in Kabul ist eines ihrer Lieblingsbilder. Die Frau erzählte ihr in gutem Englisch, dass sie Lehrerin sei, aber unter den Taliban nicht mehr arbeiten durfte. Ihr Mann war im Kampf gegen die Taliban umgekommen, von ihrer Familie war sie verstoßen worden. Nun hauste sie in den Ruinen und musste betteln, um sich und ihre fünf Kinder durchzubringen. „Ihr Schicksal hat mich nie losgelassen“, sagt Ursula Meissner. Beim Medienlabor des Journalistinnenbunds 2013 zum Thema „Journalistinnen in der Kriegs- und Krisenberichterstattung“ hatte Ursula Meissner davon berichtet, wie sehr ihr vor allem Afghanistan und seine Menschen ans Herz gewachsen sind.
Inzwischen unterrichtet sie als Dozentin für Fotojournalismus an der Universität Trier. Ihren Studierenden muss sie klarmachen, dass sich der Markt komplett gewandelt hat. „So wie ich die meiste Zeit gearbeitet habe, als freie Fotografin, kann man heute nicht mehr überleben,“ erklärt sie. Zeitungen haben meist kein Budget mehr für Fotos und nehmen Agenturmaterial oder lokale Fotograf*innen, häufig Laien. „Es fehlt das gute Bild, das wirklich unter die Haut geht“, so Ursula Meissner.
Bücher von Ursula Meissner:
„Afghanistan – Rosen, Mohn, 30 Jahre Krieg.“ Bucher Verlag 2008
„Mit Kamera und kugelsicherer Weste“, Eichborn Verlag 2001
5. Etwas erzählen über die Welt:
Bettina Flitner (* 1961)
Bettina Flitner greift häufig Tabuthemen auf, etwa bei ihrer Fotoserie über Sextouristen in Thailand oder ihren Porträts „Der Täter geht“ über schlagende Männer. „Ich habe mir immer Themen gesucht, die mich selber interessieren“, erklärt die vielfach ausgezeichnete Fotografin, Autorin und Filmemacherin. Oft stehe am Anfang eine Frage, die sie sich selber stellt: „Warum arbeiten Frauen in der Prostitution? Warum gehen Männer in den Puff? Warum schlagen Männer ihre Frauen?“
1961 in Köln geboren, studierte Bettina Flitner an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Mit ihren Fotoessays und sozialkritischen Reportagen machte sie sich schon bald einen Namen, etwa mit ihrer 46-teiligen Arbeit „Reportage aus dem Niemandsland“, einer Fotoserie über Menschen aus West und Ost beim Mauerfall. Bettina Flitner hat einen ganz eigenen Stil, zwischen dokumentarischem Journalismus und Fotokunst. Typisch ist für sie zudem die Kombination von Bild und Wort, meist Zitate der Fotografierten, die sie – auch wenn sie Täter sind – ungefiltert sprechen lässt. Das löst mitunter kontroverse Debatten aus. So porträtiert sie 2001 in ihrer preisgekrönten Arbeit „Ich bin stolz, ein Rechter“ zu sein“, Jugendliche aus Marzahn-Hellersdorf.
Für ihr 2004 erschienenes Buch „Frauen mit Visionen“ hat sie ganz Europa bereist, um Staatschefinnen, Menschenrechtlerinnen, Künstlerinnen und Schriftstellerinnen zu fotografieren. Das Porträtieren weiblicher „Role Models“ setzte sie mit ihrer Arbeit „Frauen die forschen“ fort.
Den Opfern ein Gesicht geben
Erschütternd sind ihre Reportagen und Texte über „Hexenverfolgung“ in Papua-Neuguinea. Es sind schwer auszuhaltende Fotos von verletzten Frauen, die vor dem ganzen Dorf nackt ausgezogen und mit glühenden Eisenzangen gefoltert wurden – nur weil sie wegen irgendeines Unglücks der Hexerei bezichtigt wurden. So war es auch bei Margret, einer Überlebenden. Margret sei sofort damit einverstanden gewesen, fotografiert zu werden, berichtet Flitner: „Sie wollte ihre Geschichte unbedingt erzählen und auf diese unmenschliche Praxis aufmerksam machen“. Die Reportage hat nach ihrer Veröffentlichung viele Spenden eingebracht, von denen die Ordensschwestern, die sich vor Ort um die Opfer kümmern, ein Schutzhaus bauen konnten.
Fotobuch von Bettina Flitner:
„Frauen mit Visionen. Knesebeck-Verlag 2006.
Weitere Bücher auf ihrer Website
6. Die Kamera als Bleistift:
Regina Schmeken (*1955)
Für Regina Schmeken ist Fotografie kein dokumentarisches, sondern ein künstlerisches Medium. Ihre kontrastreichen Aufnahmen von Schlachthäusern, vom Arabischen Frühling oder aus Fukushima sind keine Schnappschüsse, sondern sorgfältig komponierte Bilder. „Mir geht es um die Verdichtung der so genannten Realität“, sagte sie einmal. Die Kamera bezeichnete sie als Bleistift, mit dem sie mit Licht zeichnen kann: „Darum sind meine Bilder schwarz-weiß. Es geht um Schreiben mit Licht.“ Seit fast vier Jahrzehnten prägt sie das Erscheinungsbild der Süddeutschen Zeitung. „Mit ihrem subjektiven Blick, ihrer oft poetischen Bildsprache hat sie nicht nur die Wertschätzung der Fotografie als eigenständiges Medium in der Zeitung verändert, sondern auch den Fotojournalismus mit Ihren Bildfindungen entscheidend beeinflusst“, schreibt Chefredakteur Claus Heinrich Meyer.
Regina Schmeken wurde 1955 geboren und fotografiert seit den 1970er Jahren. Das Angebot, als Redaktionsfotografin für die Süddeutsche Zeitung zu arbeiten, nahm sie 1986 erst nach einigem Zögern an. Nach Jahren der Verweigerung jeglicher „Auftragsfotografie“ fand sie sich nun in den Mühlen einer Redaktion wieder und musste für die Gleichwertigkeit von Text und Bild kämpfen. Sie habe der politischen Fotografie ihre ganz eigene schwarz-weiße Ästhetik geschenkt, erklärt Sissi Pitzer, stellvertretende Vorsitzende des Journalistinnenbund e.V. in der Pressemitteilung anlässlich der Preisverleihung der Hedwig-Dohm-Urkunde 2024 für ihr Lebenswerk: „Ihre Aufnahmen von Politikerinnen und Politikern, von Kunst- und Kulturschaffenden, vom Fall der Mauer oder der Fußball-Nationalmannschaft zeigen nie das Vordergründig-Offensichtliche. Sie fangen den besonderen Moment ein, aus einer subjektiven Perspektive, in einer eigenwilligen dichten Dramaturgie“. Regina Schmekens großformatige Bilder werden weltweit in Museen und Ausstellungen gezeigt. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, etwa 1996 mit dem Dr. Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie.
Trostlose Orte des Verbrechens
Viel Aufmerksamkeit erhielt zuletzt Schmekens Ausstellung „Blutiger Boden – die Tatorte des NSU“. Es sind beklemmende Fotos, die weder die Täter noch die Ermordeten zeigen, sondern einen geschlossenen Kiosk, eine Pfütze, eine heruntergekommene Straße – normale bundesdeutsche Tristesse, wie es Regina Schmeken in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ formulierte. Sie wolle zeigen, dass ein solches Verbrechen jederzeit und überall in Deutschland möglich ist.
Fotos von Regina Schmeken befinden sich unter anderem in den Sammlungen des MoMA in New York, der Pinakothek der Moderne in München und der Nationalbibliothek in Paris.
7. Eine Waffe gegen den Krieg:
Anja Niedringhaus (1965 – 2014)
Zwei Jahrzehnte lang fotografierte Anja Niedringhaus in den Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt – und wollte doch nie als Kriegsfotografin bezeichnet werden. Um Nervenkitzel, um die Jagd nach dem nächsten, noch blutigeren Foto ging es ihr nie. Sie wollte die Weltöffentlichkeit aufrütteln. Ihr Motto war: „Wenn ich es nicht fotografiere, wird es nicht bekannt.“
Ihr Traum: den Krieg stoppen
Ihre Bilder zeigen das Leid, das der Krieg mit sich bringt, aber auch den Mut und den Überlebenskampf. Mut brauchte beispielsweise die Libyerin, die im März 2011 an einer Kundgebung zur Unterstützung der Nato-Luftangriffe gegen die Gaddafi-Truppen teilnahm. „Ich liebe Libyen“ steht auf ihren Händen, die sie in die Kamera hält. Das Schicksal der Frauen im Krieg lag Anja Niedringhaus ganz besonders am Herzen: trauernde Mütter an den Gräbern in Sarajevo, fröhliche Schulmädchen in Pakistan, die sich ihr Recht auf Bildung herausnehmen, und Irakerinnen, die mit ihren Kindern vor den Bomben fliehen. „Sie sah wirklich in das Herz der Menschen hinein, sagt Kathy Gannon, eine enge Freundin und Kollegin bei Associated Press (AP).
Anja Niedringhaus erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen, darunter den Pulitzer Preis. Am Anfang, so bekannte sie einmal, glaubte sie, den Krieg mit Fotos stoppen zu können. Sie musste erkennen, dass das nicht möglich war. 2014 wurde sie in Afghanistan als „embedded journalist“ bei einem Attentat getötet. Der Täter gab als Motiv an, sich bei den US-Truppen für den Tod von Familienangehörigen bei einem Nato-Luftangriff rächen zu wollen.
Die Dauerausstellung „The Power of Facts“ in Höxter, dem Heimatort von Anja Niedringhaus, zeigt eine Auswahl ihrer Bilder.
Birgit Leiß
Gastautorin
Als freie Journalistin berichtet Birgit Leiß schwerpunktmäßig über so staubtrockene Themen wie Stadtentwicklung und Wohnungspolitik. Wenn sie nicht gerade Bauskandalen auf der Spur ist, sitzt sie in dunklen Kinosälen oder pflückt Kaffee in Südindien. Ihr ultimativer Filmtipp: „Finding Vivian Maier“ über die großartige Straßenfotografin, deren Werk erst zufällig nach ihrem Tod entdeckt wurde.