2020: Das Jahr des Genderns in den Medien

von | 17. Dezember 2020 | Gendern im Journalismus, Medienschau

Wir blicken zurück auf ein ereignisreiches Jahr: 2020 ist Gendern in aller Munde. Wortwörtlich und in den Medien. Von der Tagesschau bis zur Spieleshow hören wir, wie Moderatorinnen und Moderatoren mit Beidnennung sprechen. In den Nachrichten des ZDF wie auch in den rbb-Nachrichten bei Radio Fritz nutzen Sprecher*innen die Mini-Kunstpause, auch genannt Glottisschlag oder Knacklaut, um Wörter mit Genderstern oder -Gap zu sprechen. In Zeitungen und Zeitschriften spielen Autor_innen mit Sprache, um Frauen und überhaupt alle Geschlechter sichtbar zu machen. Dafür setzen Redakteur:innen gelegentlich den Doppelpunkt, manche auch den Genderstern.

Der Erfolg von Genderleicht

Im Sommer 2019 gestartet, waren wir zur rechten Zeit da, als sich viele Medien auf den Weg zur Gendergerechtigkeit begeben haben. Bei Genderleicht.de bieten wir zahlreiche Impulse, praktische Schreibtipps, Argumente und Hintergrundwissen. Das nutzen viele, um in Sachen Geschlechtergerechtigkeit in Wort und Bild fit zu werden, was wir am positiven Feedback und an unseren steigenden Klickzahlen erkennen. Wir haben mit unserer Gendersprechstunde, vor allem während des ersten Lockdowns, und bei Einzelcoachings, die wir zum ersten Jahrestag von Genderleicht und zum 33. Jubiläum des Journalistinnenbundes verlost haben, Mut gemacht und praktische Ideen vermittelt. Bei Gesprächen hinter den Kulissen verschiedener Medienhäuser haben wir erfahren, wo es noch am Gendern hapert und welche internen Diskussionen Redaktionen voran bringen.

Den Prozess des Genderns in den Medien begleiten wir im Blog: Jeden Donnerstag kommt ein neuer Blogpost. Zum Ausklang dieses Jahres des Genderns werfen wir einen Blick auf Zitate von Journalistinnen und Autoren in unseren Blogartikeln. Aus ihnen spricht der Stolz, am Sprachwandel in den Medien mit zu wirken.

„Sprache formt Wirklichkeit. Und es kommt uns bei unserem wichtigsten Instrument, der Sprache, auf Vielfalt und Gerechtigkeit an. Als Gesellschaft stecken wir mitten in der Diskussion über dieses Thema.“
Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunk
Gendern im Radio: Vielfalt On-Air

„Uns ist es ein Anliegen zu gendern, weil wir die Realität abbilden und sichtbar machen wollen.“
Francisca Zecher, Nachrichtenchefin bei Deutschlandfunk Nova
Gendern im Radio: Zehn Tipps für die Praxis

„So wie sich die Gesellschaft verändert, verändert sich auch Sprache. Die Auseinandersetzung darüber ist sinnvoll, dabei darf die Verständlichkeit nicht leiden.“
Susanne Babila, Hörfunkjournalistin
Gendern im Radio: Zehn Tipps für die Praxis

„Sprachästhetik ist kein Argument. Wie kann man damit argumentieren, wenn dafür 50 Prozent der Bevölkerung sprachlich weggelassen werden? Was soll daran schön sein?“
Rebekka Endler, Hörfunkjournalistin
Gendern im Radio: Motive & Möglichkeiten

„Ob in den Nachrichten oder in der Fläche: Wir regen an, mehr Sprachsensibilität zu zeigen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, über Stigmatisierungen und Vorurteile nachzudenken.“
Dorothee Hackenberg, Wortchefin bei radioeins vom rbb
Gendern im Radio: Vielfalt On-Air

„Die Möglichkeit mit dem Gender-Gap zeigen zu können, dass Geschlecht ein Spektrum ist, finde ich recht charmant. Mittlerweile wurde ja mit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Dritten Option im Personenstand bestätigt, dass es mehr als Mann und Frau gibt.“
Benedict Weskott, Radiojournalist
Gendern im Radio: Zehn Tipps für die Praxis

„Seitdem ich als Journalistin arbeite, habe ich immer versucht, Frauen zu interviewen. Manchmal muss man gezielt suchen, aber es gibt für viele Fragen auch kompetente Expertinnen und Wissenschaftlerinnen.“
Eva Schindele, Wissenschaftsjournalistin
Gendern im Radio: Zehn Tipps für die Praxis

„Ich probiere noch ein bisschen aus und schaue was geht, gerade bei der Fernsehmoderation. Oftmals benutze ich die männliche und weibliche Form nebeneinander. Aber ich versuche auch zunehmend, das Gendersternchen mitzusprechen. Das ist am Anfang ungewohnt, aber in den allermeisten Fällen gut machbar.“
Jo Schück, Moderator der ZDF-Sendung aspekte
„Nicht gendern ist die schlechteste Lösung“

„Die Regeln sagen im Grunde: Gendersternchen, aber nicht zu oft im Satz, also ein bis zwei Mal, sonst klingt es wirklich hakelig. Wenn in der Meldung unklar ist, ob mehrere Geschlechter beteiligt waren, kommt im Zweifel die ‚sächliche‘ Form.“
Karin Schmied, Programm-Chefin bei Radio Fritz vom rbb
Gendern im Radio: Vielfalt On-Air

„Es ist leichter in Live-Situationen zu gendern, wenn ich das auch im Alltag bereits so handhabe – etwa in Redaktionskonferenzen, beim Austausch mit Kollegen und Kolleginnen oder im privaten Kreis. Ganz einfach, weil es dann leichter von den Lippen geht.“
Friederike Sittler, Abteilungsleiterin bei Deutschlandfunk Kultur
und Vorsitzende des Journalistinnenbundes
Gendern im Fernsehen: Recherche und Dreh

„Bei uns gendert auch der 77-jährige Autor! Man sieht sehr häufig, dass sie bewusst an die Sache rangehen: die weibliche Person mit reinnehmen und manchmal sogar Queere. Es sind Versuche, die ich gerne unterstütze.“
Viviane R., Lektorin in einem Sachbuchverlag in Frankfurt am Main
„Bei uns gendert auch der 77-jährige Autor!“

„Aktuell geht es dahin, dass viele Leute beim Schreiben das Sternchen verwenden. Es wäre gut, wenn sich eines der Sonderzeichen irgendwann etabliert hat. Es ist für uns als Sehbehinderte einfacher, nur mit einem Sonderzeichen umzugehen.“
Domingos de Oliveira, blinder Redakteur
„Doppelpunkt ist für Blinde am besten“

„Die Auseinandersetzungen um geschlechtersensible Sprache sind noch lange nicht zu Ende geführt, wenngleich es eher um das ‚Wie‘ und weniger um das ‚Ob‘ geht. Dennoch braucht es Debatten zu Geschlecht, die ohne Schaum vorm Mund prüfen, welche Verständnisse zur Realität passen.“
Till Randolf Amelung, freier Autor
Trans – wieviel Sternchen soll es sein?

„Die einen beschweren sich, dass zu wenig gegendert wird. Die anderen fühlen sich von zu viel vermeintlicher politischer Korrektheit irritiert und abgelenkt. Letzteres kann aber für uns kein Grund sein, diskriminierend zu sprechen.“
Gabor Paal, Redaktionsleiter SWR 2 Wissen
Gendern im Radio: Motive & Möglichkeiten

„Aber so ist das ja immer: Alles was neu und ungewohnt ist, wird erst mal abgelehnt. Und ein bisschen ging es mir ja anfangs auch so.“
Petra Gerster, Moderatorin der heute-Nachrichten
ZDF: Petra Gerster gendert jetzt

Zitate zusammengestellt von Katalin Valeš

Portrait Christine Olderdissen

© Katrin Dinkel

Christine Olderdissen

Genderleicht & Bildermächtig Projektleiterin

Als das erste Mal eine Interviewpartnerin mit dem Glottisschlag sprach, war das für sie ein Signal: Schluss mit dem generischen Maskulinum, lieber nach einer sprachlichen Alternative suchen. Eine einfache und elegante Lösung findet sich immer. Lange Zeit Fernsehjournalistin galt ihr Augenmerk schon immer der Berichterstattung ohne Stereotype und Klischees.

Ideen und Impulse

Bei Genderleicht & Bildermächtig finden Sie Argumente und Fakten sowie Tipps und Tools für die gendersensible Medienarbeit.

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